Bracht nimmt solares Wärmenetz in Betrieb

Deutschland soll bis 2045 Klimaneutral sein. Der kleine mittelhessische Ortsteil Bracht ist 20 Jahre früher am Ziel. Ab sofort werden über 60 Prozent der Haushalte über ein neues Wärmenetz klimaneutral mit Wärme versorgt – und das größtenteils durch Sonnenenergie. Das Projekt ist europaweit einzigartig.

Nach mehrjähriger Planungsphase, vielfältigen Bauarbeiten und großem Engagement vieler Ehrenamtlicher hat die Genossenschaft Solarwärme Bracht eG ihr Ziel endlich erreicht. Pünktlich zum Start der diesjährigen Heizsaison kann das neue Wärmenetz in Betrieb genommen werden. „Mit viel Kreativität und Durchhaltevermögen haben die Menschen mit Unterstützung der hessischen Landesregierung in Bracht vorgemacht, was auch andere Städte und Gemeinden schaffen können: die Wärmewende“, lobt der hessische Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori. “Das solare Wärmenetz schafft eine unabhängige und klimafreundliche Wärmeversorgung für die Bürgerinnen und Bürger und ist ein echtes Vorreiterprojekt im ländlichen Raum, von dessen Erfahrungen andere profitieren können.” Zur Einweihung kamen zahlreiche Gäste, darunter auch der Landesbeauftragte für ländliche Räume, Knut John, der die Grußworte von Energieminister Kaweh Mansoori übermittelte.

Bezahlbare, sichere und klimafreundliche Wärme

Bislang wurde in Bracht überwiegend dezentral mit Öl geheizt, dessen Beschaffung zunehmend unsicherer und teurer wird. Um die Abhängigkeit von fossilen Energien zu beenden, nahmen die Bürgerinnen und Bürger das Zepter selbst in die Hand und gründeten eine Genossenschaft. „Das Ziel war von Anfang an klar: Eine zukunftssichere, bezahlbare und klimaneutrale Wärmeversorgung für unseren Ort“, so Helgo Schütze Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft Solarwärme Bracht.

Herzstück des neuen Wärmenetzes ist ein 11.640 Quadratmeter großes Solarthermiefeld, über das im Sommer rund 27 Millionen Liter Wasser in einem großen Erdbeckenspeicher auf 90 Grad erwärmt werden. Zunächst wird diese Wärme direkt in das Fernwärmenetz geleitet. Kühlt der Speicher im Laufe des Winters ab, hebt eine Wärmepumpe das Temperaturniveau auf die benötigte Vorlauftemperatur von 70 bis 80 Grad an. Durch diese Kombination kann der Speicher kleiner ausfallen, was auch die Investitionskosten senkt.

Parallel zum Betrieb der Wärmepumpe erfolgt die Versorgung über einen zusätzlichen Holzhackschnitzelkessel, was den Strombedarf für die Wärmepumpen deutlich senkt. Durch einen 22 Meter hohen Pufferspeicher können zudem kurzfristige Schwankungen ausgeglichen werden. Über 9,7 Kilometer lange Leitungen gelangt die Wärme schließlich in die 193 angeschlossenen Haushalte in Bracht und Bracht-Siedlung. Das völlig neuartige Wärmeversorgungskonzept wurde vom Institut für Thermische Energietechnik der Universität Kassel entwickelt und zusammen mit der Genossenschaft auf die örtlichen Wünsche und Bedürfnisse angepasst.

Schneller und wirksamer als Sanierung

Eine der größten Herausforderung für die Wärmewende in Bracht lag im Gebäudebestand. Viele Häuser wurden vor 1980 gebaut und sind daher nur unzureichend gedämmt, rund ein Viertel sind Fachwerkhäuser. Forschungen der Universität Kassel machten deutlich: während die umfassende energetische Sanierung aller Häuser in Bracht Jahrzehnte dauern würde und nur schrittweise Wirkung entfalten könnte, senkt das Wärmenetz die CO₂-Emissionen bereits ab Inbetriebnahme unmittelbar um 98% Prozent. Bei vergleichbaren Kosten konnte die Wärmewende in der Kommune so deutlich schneller und effizienter umgesetzt werden.

Genossenschaftliches Vorzeigeprojekt

Das 16,3 Millionen Euro Projekt ist ein Musterbeispiel für gemeinschaftliches Engagement. Die jahrelange Vorbereitung und Umsetzung wurden im Wesentlichen von 15 Ehrenamtlichen getragen. Unterstützung erhielten sie von zahlreichen freiwilligen Helferinnen und Helfern, die sich – auch ohne Mitglied der Genossenschaft zu sein – in einzelnen Projektphasen tatkräftig einbrachten. Auf diese Weise konnten im Verlauf des gesamten Vorhabens durch Eigenleistungen Einsparungen in sechsstelliger Höhe erzielt werden. Finanziell wird das Vorhaben mit rund 5,6 Millionen Euro aus dem Programm des Landes Hessen für den Europäischen Fond für regionale Entwicklung (EFRE) unterstützt. Hinzu kommen zusätzlichen Haushaltsmittel für die wissenschaftliche Begleitung sowie ergänzende Zuschüsse in Höhe von rund 4,7 Millionen Euro vom Bund. Fachlich begleitet wurde das Projekt von der Universität Kassel und der LEA LandesEnergieAgentur Hessen GmbH.

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