Wie gut lässt sich Erdwärme in Marburg nutzen?

Erkundungsbohrung auf dem Gelände des Freizeitbads AquaMar liefert wichtige Daten / Insgesamt 20 Erkundungsbohrungen in Hessen / Erdwärme als Teil des Klima-Aktionsplans in Marburg

Die Nutzung von Erdwärme zum Heizen oder Kühlen von Gebäuden kann einen wichtigen Beitrag zur Energie- und Wärmewende leisten. Um Kommunen sowie Bürgerinnen und Bürgern diese Technik zur Wärme- und Kälteversorgung näher zu bringen und ihnen gleichzeitig fundierte Planungsdaten bereitzustellen, hat das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen (HMWEVW) die LEA LandesEnergieAgentur Hessen GmbH (LEA Hessen) beauftragt, geothermische Erkundungsbohrungen und Untersuchungen in hessischen Städten und Gemeinden durchzuführen. Die Auswertung und Aufbereitung der hierbei gewonnenen Erkenntnisse erfolgt durch das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG). Insgesamt werden 20 Erkundungsbohrungen in hessischen Kommunen durchgeführt, die zu Erdwärmesonden ausgebaut werden. Eignet sich ein Standort, kann die Erdwärme nicht nur Energie- und Wärmelieferant für Hauseigentümer sein, sondern auch für Kommunen, die Baugebiete erschließen wollen oder für Gewerbeimmobilien.

Auch auf dem Gelände des Freizeitbads AquaMar in Marburg werden anhand einer bis zu 100 Meter tiefen Erkundungsbohrung Kenntnisse über die geologische und geothermische Situation vor Ort gesammelt.

„Die Erkundungsbohrung ist für die Stadt Marburg ein weiterer Schritt Richtung Klimaneutralität, zu der wir uns mit dem Klima-Aktionsplan 2030 auf den Weg gemacht haben. Dabei kann Erdwärme ein wichtiger Baustein sein, den wir nun als Option genauer untersuchen wollen. Als Stadtverwaltung möchten wir auch Vorreiterin für alle in Marburg sein und für Geothermie als umweltfreundliche Schlüsseltechnologie in der Wärmewende werben“, sagt Dr. Thomas Spies, Oberbürgermeister der Stadt Marburg. Beim Pressetermin vor Ort vertraten außerdem Bürgermeisterin Nadine Bernshausen, Stadträtin Kirsten Dinnebier und Stadtrat Dr. Michael Kopatz die Stadt Marburg.

„Oberflächennahe Geothermie kann in Hessen an den meisten Standorten zum Heizen (bedingt auch zum Kühlen) von Immobilien oder beispielsweise auch als Prozesswärme in industriellen Herstellungsverfahren genutzt werden,“ erläutert Carola Carius, die Leiterin des Kompetenznetzwerks Geothermie des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen. Carius sagt weiter: „Um mögliche geologische Schwierigkeiten im Vorfeld einschätzen zu können und um konkrete Planungsdaten den Interessierten an die Hand zu geben, lassen wir das Projekt Erkundungsbohrungen durchführen.“

„Die wissenschaftlichen Untersuchungen des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) liefern für die Öffentlichkeit wichtige Daten für die standortbezogene Planung effizienter Erdwärme-Anlagen. So unterstützen wir potenzielle Nutzer bei der Entscheidung, oberflächennahe Geothermie zu nutzen“, sagt Dr. Sven Rumohr, Hydrogeologe und Geothermie-Experte im HLNUG und fügt hinzu: „Zudem stellen wir sicher, dass die Installation einer Erdwärmesonde das Grundwasser nicht beeinträchtigt.“

Erdwärme wird über eine Erdwärmesonde an eine Wärmepumpe gegeben. So kann Erdwärme zum Heizen und Kühlen von Gebäuden genutzt werden. Dr. Karsten McGovern, Geschäftsführer der LEA Hessen, erklärt: „Geothermie ist so für das Gewerbe und Immobilienbesitzende attraktiv: Sie ist ganzjährig und wetterunabhängig verfügbar und verursacht weder CO2 noch Feinstaub. Hinzu kommen geringe Betriebskosten und hohe Zuschüsse für die Investition in Wärmepumpen.“

Wie verläuft die Bohrung?

Ein Bohrgerät wird mit einem Tieflader angeliefert und positioniert. Ein Bohrmeißel an der Spitze des Bohrgestänges arbeitet sich dann auf eine Tiefe von bis zu 100 Meter vor. In der Bergmannsprache nennt man dies „abteufen“. Das dadurch gelöste Gesteinsmaterial wird mit Wasser nach oben aus dem Bohrloch befördert. Dabei werden kontinuierlich Gesteinsproben zur geologischen Beschreibung entnommen.

Nachdem die geplante Bohrtiefe erreicht ist, wird das Bohrgestänge ausgebaut. Danach wird eine Erdwärmesonde in das Bohrloch eingelassen. Sie besteht aus zwei U-förmigen Kunststoffrohren. Das Bohrloch wird anschließend mit einer Zement-Bentonit-Suspension verfüllt. Dies ist erforderlich, um die Erdwärmesonde mit dem umgebenden Gestein fest zu verbinden. Damit wird ein hoher Wärmeaustausch zwischen Sonde und Erdreich erreicht. Zudem wird das Bohrloch gegen grundwasserführende Schichten abgedichtet.

Was kommt dann?

Das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) untersucht die Gesteinsproben. Eine Fachfirma führt ein bis zwei Wochen nach Einbau der Erdwärmesonde einen sogenannten „Thermal-Response-Test“ (TRT) durch und bestimmt dabei die Wärmeleitfähigkeit des Untergrundes. Ergänzend wird in der Erdwärmesonde die Temperatur des Untergrundes ermittelt.

In einem Steckbrief fasst das HLNUG die Ergebnisse zusammen und stellt sie auf seiner Webseite (www.hlnug.de) der Öffentlichkeit zur Verfügung. Auf Grundlage des Steckbriefs können Bauwillige, Kommunen, Bohrfirmen und Energieversorger zuverlässig die richtige Dimensionierung von Erdwärmesonden sowie die Bohr- und Ausbauarbeiten planen. Die auf dem Gelände des Freizeitbads AquaMar installierte Erdwärmesonde kann nach Abschluss der Tests von der Kommune zur nachhaltigen Wärmegewinnung genutzt werden.

Klima-Aktionsplan der Stadt Marburg

Für die Universitätsstadt Marburg ist die Erkundungsbohrung ein Baustein in der Umsetzung des Klima-Aktionsplans 2030. Für die Transformation hin zur Klimaneutralität ist die „Prüfung des Ausbaus von Geothermie“ eine wesentliche Maßnahme des Klima-Aktionsplans, da hier ein großes Potenzial für die städtische Wärmewende liegt. Diese Bohrung ist deshalb für die Universitätsstadt von enormer Bedeutung. Mit der Bohrung wird ermittelt, ob das AquaMar künftig mit Geothermie beheizt werden kann. So könnten der CO2-Ausstoß und die Kosten gesenkt werden. Denn derzeit wird das AquaMar mit Erdgas beheizt. Aber auch für andere Gebäude in der Stadt könnte Erdwärme genutzt werden. Dazu soll es im nächsten Schritt eine gesamtstädtische Wärmeplanung geben.

Was ist Erdwärme?

Die im Erdinneren gespeicherte Wärme, auch Geothermie genannt, kann zum Heizen und Kühlen von Gebäuden, für die Warmwasserbereitung und Stromerzeugung genutzt werden. Die Wärme kommt aus dem Erdkern. Nach heutigen Erkenntnissen ist es dort heißer als 5.000 Grad Celsius. Die Temperatur im Boden steigt mit zunehmender Tiefe an: in Deutschland um etwa drei Grad Celsius pro 100 Meter.

Die Wärme des Erdinneren ist praktisch unerschöpflich. Erdwärme zählt daher zu den erneuerbaren Energien. Die Nutzung von Erdwärme zum Heizen und Kühlen von Gebäuden ist ganzjährig, nachhaltig und effizient möglich. Die Landesregierung fördert daher die Kenntnis über ihre Nutzung.

Hintergründe zum Projekt

Das Projekt wurde vom HLNUG entwickelt und im Jahr 2019 mit einer Pilotphase gestartet. Seit 2020 wird das Projekt gemeinsam von der LEA Hessen und dem HLNUG durchgeführt. Insgesamt werden 2021/2022 20 Erkundungsbohrungen durchgeführt. Auftraggeber ist das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen (HMWEVW).

In diesen Kommunen werden Erkundungsbohrungen durchgeführt: Alsfeld, Büdingen-Düdelsheim, Dietzenbach, Frankenberg (Eder), Frankfurt, Habichtswald, Heidenrod, Hofheim-Wallau, Homberg (Efze), Kassel/Calden, Langgöns-Dornholzhausen, Marburg, Offenbach, Pohlheim, Riedstadt-Goddelau, Solms, Stockstadt am Rhein, Twistetal, Vellmar und Waldeck.

Kontakt

Frauke Hieß

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Andreas Hofheinz

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